Dreitägige Gedenkstättenfahrt: Erinnerung als Verantwortung 

Das diesjährige Gedenken in Auschwitz-Birkenau und Krakau sowie der Austausch mit der polnischen Partnerschule in Przemyśl waren zweifellos prägende Erlebnisse für die teilnehmenden Schüler:innen an der zehntägigen Studienfahrt.

Der Besuch dieser historischen Orte ermöglicht es, die unvorstellbaren Schrecken der Shoa (Vernichtung des europäischen Judentums) und die Gräueltaten des Nationalsozialismus direkt am Ort des Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau zu erfahren; was für die jungen Menschen eine tiefe emotionale Wirkung hinterlassen hat.

Durch das Engagement in der Erinnerungsarbeit will unsere Schule aktiv zur historischen Aufarbeitung und zur Förderung demokratischer Werte beitragen. Der Bezug zum Namensgeber, Carl Friedrich Goerdeler, einem bedeutenden Widerstandskämpfer gegen das NS-Regime, verleiht dem Programm zusätzlich eine tiefere Bedeutung. Goerdelers mutiger Einsatz gegen die nationalsozialistische Diktatur erinnert daran, wie wichtig es ist, sich für Freiheit, Gerechtigkeit und Menschenrechte einzusetzen.

Die Kranzniederlegung der teilnehmenden Schüler:innen an der Todesmauer in Auschwitz symbolisiert das bewusste Gedenken an die Opfer und unterstreicht das Verständnis, dass Erinnerung mit Würdigung und Verantwortung verbunden ist. Diese symbolische Handlung der Kranzniederlegung und Schweigeminute würdigt nicht nur die Opfer, sondern lässt innehalten für das Bewusstsein, dass die zukünftige Generation die Vergangenheit nicht vergessen darf und sich aktiv für eine friedliche und gerechte Welt einsetzen muss.

Durch die Workshops in Auschwitz-Birkenau und die Recherchen über die Opfer und Täter wird das historische Verständnis vertieft. Solche Recherchen fördern nicht nur das Wissen über die nationalsozialistischen Verbrechen, sondern auch ein Bewusstsein dafür, wie wichtig es ist, sich kritisch mit Geschichte auseinanderzusetzen, um aus ihr Handlungen zu erlernen, um künftigen Gefahren entgegenzuwirken.

Die emotionale Auseinandersetzung der Schüler:innen mit den grausamen Relikten des Holocaust waren entscheidende Moment während der Studienfahrt. Die Konfrontation mit den Bergen an Haarballen, Schuhen, Kinder- und Babykleidung sowie den Brillen und Prothesen der unschuldig ermordeten und industriell vergasten Menschen in Auschwitz hat tiefe Spuren hinterlassen. Diese Alltagsgegenstände, die den unzähligen Opfern gehörten, machen das Unfassbare greifbar und verliehen dem Grauen eine erschütternde menschliche Dimension. Sie stehen symbolisch für das Leben, das auf brutalste Weise ausgelöscht wurde, und lassen den immensen Verlust auch für das heutige Europa spürbar werden.

Besonders bewegend war das Zeitzeugengespräch mit Monika Goldwasser, einer Holocaust-Überlebenden, die durch das beherzte Handeln der Mutter und den Mut der Nonnen als Säugling überlebt hat. Ihre Erzählung war nicht nur berührend, sondern auch von Bedeutung für das Verständnis der Menschlichkeit und des Überlebenswillens inmitten eines beispiellosen Terrors und Mordens.
Die Begegnung mit Monika Goldwasser machte den Schüler:innen bewusst, wie wichtig es ist, diese Geschichten weiterzutragen, um das Gedenken lebendig zu halten und zukünftige Generationen vor den Gefahren von Hass, Intoleranz und  jeglichem Extremismus zu warnen. Die bewegenden Worte von Frau Goldwasser, dass Hass die Seele zerfresse und stattdessen Güte auch für den Menschen persönlich Glück bringend sei, wirkten wie ein Echo in den Ohren der zuhörenden Jugendlichen.
Die emotionale Tiefe dieser Erlebnisse und Gespräche hinterließen einen nachhaltigen Eindruck. Solche Erlebnisse führen dazu, dass die Auseinandersetzung mit der Shoa nicht nur eine intellektuelle, sondern vor allem auch eine tief emotionale Erfahrung wird, die lange nachwirkt und das Bewusstsein für Menschenrechte und Menschlichkeit schärft.

Die Schüler:innen des Goerdeler Gymnasiums übernehmen durch dieses Programm eine aktive Rolle in der Erinnerungskultur und der Demokratieförderung. Durch das Erinnern an die Verbrechen des Nationalsozialismus und die aktive Konfrontation mit unfassbaren menschlichen Abgründen, lehrt sie die Bedeutung von Zivilcourage, Menschlichkeit und Verantwortung für die Gesellschaft.
So war es auch ein Akt der Erleichterung und Hoffnung, am selbigen Abend in einem jüdischen Restaurant koscher essen zu können und bei schwungvoller Klezmermusik  ausgelassen das Leben zu feiern. Die hebräischen Worte beim Prosten oder Anstoßen werden hier sinnigerweise benutzt: „Le Chaim“ (לְחַיִּים) bedeuten wörtlich übersetzt „auf das Leben“.  Es ist ein Ausdruck der Freude und Wertschätzung auf das Leben/Weiterleben, selbst nach millionenfachem Mord.

Nach den drei eindrücklichen Tagen stand der Besuch des Salzbergwerks in Wieliczka, einem UNESCO-Weltkulturerbe, auf dem weiteren Programm. Viele kamen aus dem Staunen über die Kronleuchter aus Salzkristallen nicht heraus: Ein absoluter Wow-Effekt.


Siebentägiger Austausch: europäische Verbundenheit und Einheit

Am Nachmittag setzte sich unsere Reise in die Paderborner Partnerstadt Przemyśl nahe der ukrainischen Grenze fort. Seit 32 Jahren besteht eine sehr herzliche und aktiv gelebte schulische Verbundenheit des Goerdeler -Gymnasiums mit dem Liceum II Kazimierza Morawskiego. Dort fand der 7-tägige schulische Teil der Studienfahrt seine Fortsetzung mit einem weiteren vielfältigen kulturellen, kulinarischen und touristischen Programm.

Der Aufenthalt in Przemyśl bot den Schüler:innen die Gelegenheit, das heutige Polen als Teil des modernen Europas kennenzulernen. Besonders in einer Stadt mit einer bewegten Geschichte und geografischen Nähe zur Ukraine wurde deutlich, wie tief verwurzelt Polen in der europäischen Idee der Friedensförderung und des interkulturellen Austauschs ist.

Neben den historischen und kulturellen Aspekten ermöglichte die Reise den Schüler:innen auch, aktiv an der Friedensarbeit mitzuwirken. Der Austausch mit der polnischen Partnerschule steht auf festen Säulen und ist nicht nur in der Schule, sondern auch unter den Trägern vieler städtischer Gruppen in Paderborn fest verankert. Die vielfältige Zusammenarbeit stärkt nicht nur das Verständnis füreinander, sondern trägt auch durch die vor Ort durchgeführten Programmpunkte – von der Erkundung der Stadt über gemeinsame Mahlzeiten und Wanderungen bis hin zu kulturellen Veranstaltungen – zur Vertiefung der deutsch- polnischen Freundschaft und europäischen Zusammenarbeit sowie des gemeinsamen Strebens nach einem friedlichen Miteinander bei.
Darüberhinaus wurde den Schüler:innen die Möglichkeit gegeben, Polen aus verschiedenen Perspektiven zu erleben und zu verstehen. So trug die Fahrt nicht nur zur geschichtlichen Aufarbeitung bei, sondern förderte auch das Bewusstsein für die Bedeutung eines vereinten Europas und die Notwendigkeit, sich kontinuierlich für den Frieden aktiv durch zwischenmenschliche Begegnungen einzusetzen.

Die Schüler:innen , die an der 10-tägigen Studienfahrt nach Auschwitz, Krakau und Przemyśl teilgenommen haben, werden ihre vielfältigen Erfahrungen und Eindrücke in selbst gewählten Gruppen auf kreative und informative Weise aufarbeiten. Dabei entstehen in unterschiedlichen Projekten Zeichnungen, Tagebucheinträge, Interviews, Blogs, informative Collagen etc.
Diese Arbeiten spiegeln nicht nur ihre emotionale Auseinandersetzung mit den historischen Ereignissen wider, sondern auch ihre tiefere Reflexion über das Erlebte und Gesehene.

Diese Ergebnisse werden in einem weiteren Artikel veröffentlicht, sodass auch eine breitere Öffentlichkeit an den Erfahrungen teilhaben kann. Besonders sei hier jedoch die Präsentation der Arbeiten am Tag der offenen Tür am Samstag, den 07. Dezember 2024 hervorgehoben.

Durch die vielfältigen Ausdrucksformen zeigen die Teilnehmenden nicht nur ihre individuelle Perspektive, sondern tragen auch zur Erinnerungskultur bei und stärken das Bewusstsein für die historische Verantwortung, die uns alle betrifft. Diese Projekte sind wertvolle Beiträge zur Gedenk- und Friedensarbeit des Goerdeler-Gymnasiums und schaffen eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart, die gerade im schulischen Kontext besonders wichtig ist – ein wichtiger Schritt, um die Werte von Demokratie, Europa, Frieden und Menschlichkeit lebendig zu halten.

Wir danken der außerordentlichen finanziellen Förderung seitens des Erasmus+ Programmes, der diese Studienfahrt für unsere teilnehmenden Schüler:innen ermöglicht und damit wichtige Bildungsarbeit unterstützt.

Unsere polnische Partnerschule berichtet hier über das diesjährige Austauschprogramm.

Text: G. Lambrechts
Fotos: G. Lambrechts,
E. Zabawska