Einblicke in die Kultur, die Sprache sowie Alltags- und Schulerfahrungen – Austauschprogramme bieten viele Chancen des interkulturellen Lernens. In den letzten acht Wochen bot das Goerdeler-Gymnasium drei jungen Chilenen ein Zuhause.
„Im Rahmen unserer Zusammenarbeit mit der Initiative „Schule:global“ konnten wir den Kontakt mit der Deutschen Schule in Concepción herstellen. Wir freuen uns sehr über den Premierenbesuch aus Chile. In den Gastfamilien und in der Schule haben die drei Schüler vielfältige Eindrücke gewonnen. Auch das Mitfeiern des deutschen Weihnachtsfestes gehörte in den vergangenen acht Wochen dazu“, erzählt Spanischlehrerin Maria Delgado.
Seit Mitte Dezember wohnten die drei Chilenen Fernando Ignacio Birke Cantillana, Vicente José María Ambiado Hernández und Vicente Garcia Araya bei Familie Hirsch, Familie Jensen und Familie Rehberg.
Mit den Goerdeler-Gastfamilien erkundeten sie die nähere und weitere Umgebung durch Ausflüge nach Soest, Dortmund, Hamburg, hatten Spaß beim SC Paderborn und bei eigenen sportlichen Aktivitäten. Vor allem lernten sie das das Alltagsleben in Deutschland und die Sprache intensiv kennen.
Für die drei chilenischen Jungen geht nach 8 Wochen die Zeit in Paderborn zu Ende. Rückblickend erzählen sie, dass Weihnachten hier für sie ein ganz besonderes Fest gewesen sei, weil es in Deutschland für dieses Fest viele Traditionen gebe und die Wohnungen sehr schön dekoriert seien. Es sei festlicher als in Chile und auch ein sehr langes Fest, weil es hier bis zum 26.12. gefeiert wird.
„Wir konnten unsere Deutschkenntnisse verbessern“, sagt Vicente Ambiado Hernández. Der Schüler der privaten Schule in Concepción zeigt sich beeindruckt: „In Deutschland ist alles gut organisiert. Es wäre in Chile nicht möglich, so eine gute Schulbildung in einer öffentlichen Schule zu bekommen!“
An unserem Gymnasium besuchten die drei Jungen den Unterricht der Jahrgangsstufe 9 und der Einführungsphase der Oberstufe. Unterstützt wurde das Lernen im Unterricht durch Leih-iPads der Lernstatt. Die chilenischen Schüler konnten damit Sprachbarrieren überwinden oder auch Inhalte nachschlagen. Hausaufgaben und Klausuren waren nicht gefordert. Stattdessen haben die drei Chilenen ein durch die Spanischlehrerinnen vorstrukturiertes „Goerdeler-Tagebuch“ erhalten, damit sie Eindrücke, Fragen oder Unklarheiten zum Unterricht in den verschiedenen Fächern notieren und als Erinnerung mitnehmen können. Darüber hinaus fanden regelmäßig Reflexionsgespräche über Erfahrungen der drei Jungen mit den Fachlehrerinnen Frau Delgado und Frau Lehnert statt.
Auf einer von den Spanischlehrerinnen organisierten gemeinsamen Fahrt der drei Gastschüler mit drei deutschen Schülern nach Münster wurde eine interkulturelle Begegnung mit anderen chilenischen Schülern der deutschen Schule in Concepción, welche zu dem Zeitpunkt Schulen in Hamm, Unna und Kamen besuchten, sowie ihren deutschen Austauschpartnern, ermöglicht.
„Auch für unsere eigenen Schüler:innen stärken und weiten wir mit der neuen Kooperationsschule unser Angebot fremdsprachlicher und interkultureller Bildung. Durch Austauschbegegnungen ermöglichen wir jungen Menschen das Eintauchen in unterschiedliche Lebenswelten und fördern Offenheit, Toleranz und neue Freundschaften,“ betont Schulleiterin Manuela Ziemer.
Der Unterricht der QI und QII wurde durch Referate der drei Chilenen über Chile und „Fragerunden“ zu ihrem Alltag bereichert. Da „Chile“ Thema im Zentralabitur ist, konnten die Schüler:innen der Oberstufenkurse ihre Vorstellungen vom Land und Leben in Chile durch einen „authentischen Erfahrungsaustausch“ bereichern. Erstaunt waren die deutschen Schüler:innen insbesondere über „das chilenische Spanisch“, welches sich hinsichtlich der Aussprache, einzelner Vokabeln und auch grammatikalischen Besonderheiten durchaus vom „spanischen Spanisch“ unterscheidet.
Zusammen mit den Spanischlehrerinnen Maria Delgado und Inga Lehnert hat Schulleiterin Manuela Ziemer die drei Chilenen am 10. Februar, ihrem letzten Schultag am Goerdeler, verabschiedet – mit im Gepäck haben sie neben den vielen neuen Erlebnissen und gewonnenen Kenntnissen auch einige Paderborner Souvenirs.
Der Austausch mit der chilenischen Schule Concepción soll in den nächsten Jahren weiter gepflegt und intensiviert werden. Erste Schüler:innen des Goerdeler-Gymnasiums könnten ihre Einblicke in die chilenische Kultur und die spanische Sprache vertiefen, wenn sie im Juni zum Gegenbesuch nach Chile aufbrechen.
Es ist eine sehr große Herausforderung und Bereicherung Gasteltern zu sein, da man ein Familienmitglied mehr beherbergt, sich kümmert, Aktivitäten organisiert, Einblicke in den eigenen Alltag gewährt, etc.. Jani, Vicente und Fernando haben als Dankeschön mit Frau Lehnert in einer „Extrastunde Kunst“ eine Karte gebastelt. Während der Bastelaktion haben sie gemeinsam über die vielen Aktivitäten und Erlebnisse, für die sie sich bedanken wollen, gesprochen.
Wir bedanken uns sehr für den Einsatz unserer drei Gastfamilien, ohne die der interkulturelle Austausch für das Goerdeler-Gymnasium nicht möglich gewesen wäre.
Text/Fotos: M. Delgado,
N. Lamberty-Freckmann, I. Lehnert
Mit einigen Worten unserer Gasteltern schließt unser Bericht. Hier wird deutlich, dass Austausch insbesondere auch bedeutet, offen, neugierig und flexibel zu sein, für die vielfältigen Anforderungen, Überraschungen und nicht planbare Erfahrungen, die auf eine Gastfamilie zukommen. Claudia Hirsch, Gastmutter von Fernando, erzählt von ihrem Winter mit dem chilenischen Schüler:
„Wir sind eine vierköpfige Familie. Vater, Mutter, ein Sohn 18 Jahre alt, ein Sohn 15 Jahre alt. Als die Anfrage kam, ob wir einen chilenischen Austauschschüler aufnehmen könnten, dachte ich gleich, das ist nett für den Gastvater, der ist nämlich in Chile geboren und aufgewachsen und kann auch Spanisch sprechen. Am 16. Dezember 2022 kam Fernando. Ein hübscher junger Mann, der im kalten Deutschland sichtlich fror. Zuvor hatte sich ein/e jede/r der Gastfamilien viele Gedanken gemacht, jede/r für sich und gemeinsam mit den beteiligten Lehrpersonen. Mein Mann meinte von Beginn an: „…wartet ab, woran sie wirklich Interesse haben!” Ein weiser Rat. Denn zum Beispiel stieß meine Idee, ihn mit zu den Sternsingern zu nehmen, auf wenig Gegenliebe. Meine Idee, dass mein Mann mit ihm Spanisch reden würde, hat sich im Übrigen auch nicht bestätigt, Fernando sollte ja Deutsch lernen. […] zunächst kam Weihnachten. Das war eine nette Bescherung und auch der Besuch bei den Verwandten hat er gut mitgemacht. Vor allem weil es Ferrero Rocher gab… 😉
Fernando zeigte außerdem eine Leidenschaft für Gesellschaftsspiele, besonders „10 Tage durch Deutschland” hatte es ihm angetan. Da gab es nette Abende. Begeisterung lösten Fußballspielen, eine Fahrt ins Aqua Magis und die Westfalentherme aus. […] Fernando war wirklich sehr bemüht, sehr nett und sehr umgänglich.“
Hintergrund:
Das Goerdeler-Gymnasium wurde im Januar 2022 mit dem Siegel Schule:Global ausgezeichnet. Es wird an Schulen verliehen, die im Bereich internationaler Austausch, interkulturelle Kompetenz und Diversität aktiv sind oder es werden wollen. Mit der Verleihung des Siegels wird die Schule Teil eines Netzwerkes, in dem Synergien für mehr Austausch geschaffen werden.
Schule:Global ist eine Initiative des AJA Arbeitskreis gemeinnütziger Jugendaustausch und wird gefördert durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ).